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Asiens Furcht vor der Entscheidung der Griechen

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Asien und Griechenland, das sind verschiedene Welten. Der „Grexit” aber treibt auch den Asiaten den Angstschweiß auf die Stirn. Denn der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, der am Sonntag seinen Lauf nehmen könnte, wird an Asien ganz und gar nicht spurlos vorübergehen.

 

Von Christoph Hein

Zwischen Athen und Singapur liegen 9066 Kilometer. In diesen Tagen und Wochen aber schmilzt die gefühlte Entfernung auf null. Denn Asien wird leiden, wenn das Chaos in Europa nicht zu einem guten Ende findet. Getroffen werden dann insbesondere die Finanz- und Logistikstandorte, Hongkong und Singapur. „Asiens relative Immunität gegenüber den Krisen der Industrieländer wird nicht für immer Bestand haben”, warnt Pascal Lamy, der Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO. „Die Schwäche im Rest der Welt wird Asien erreichen.”

Dass lässt sich schon anhand weniger Zahlen belegen. „Eine ernsthafte Störung in der Europäischen Union wirkte sich Schritt für Schritt auf Ostasiens Export und Wachstum aus, insbesondere, da das Wachstum auch in anderen Weltgegenden schmelzen würde”, heißt es bei der Weltbank. „Die Europäische Union, Amerika und Japan stehen für mehr als 40 Prozent der Direktexporte der Region, und rund 60 Prozent des innerasiatischen Handels hängen von diesen Produktionsnetzwerken ab.” Die Finanzplätze Hongkong und Singapur, zugleich die Logistikdrehscheiben der Region, spüren dies besonders: „Die Ausfuhr Singapurs in die Eurozone steht für mehr als 12 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, nur Hongkong verzeichnet mit 16 Prozent eine noch höhere Abhängigkeit”, sagt Robert Prior-Wandesforde, Chefvolkswirt für Asien bei der Credit Suisse. Zudem halten Unternehmen und Investoren an beiden Standorten eine höhere Anzahl europäischen Anleihen und Aktien, und die europäischen Banken sind in beiden Märkten stärker engagiert.  „Wenn Europa in eine richtige Krise schliddert, gibt es keinen Zweifel, dass Singapur unter den am härtesten getroffenen Volkswirtschaften Asiens sein wird.”

Was aber heißt hier hart? Die Schweizer geben einen Vorgeschmack: „Es ist natürlich sehr schwierig, die Wucht des Schlages zu quantifizieren, den ein griechischer Ausstieg und eine spürbare Infektion weiterer Euro-Länder hätte. Aber wir wären nicht überrascht, wenn der erste Effekt mindestens so hart wäre, wie derjenige während der Weltfinanzkrise. Im ersten Quartal 2009 schrumpfte Singapurs Bruttoinlandsprodukt um 8,8 Prozent im Jahresvergleich.”

Auch Chinas größte Investmentbank CICC versuchte sich an Krisenberechnungen für ihr Land. Aus ihrer Sicht ließe der Austritt Griechenlands den Export der Volksrepublik um 3,9 Prozent im Jahresvergleich sinken. Das chinesische Wachstum könnte dann in diesem Jahr nur noch 6,4 Prozent betragen. Das wäre der schwächste Wert seit zwei Jahrzehnten. Das Institut legt dieser Rechnung die Annahme zugrunde, dass der Austritt Griechenlands das Wachstum der Weltwirtschaft halb so stark belasten werde wie die Finanzkrise 2008 und 2009.

Natürlich wächst auch im anderen großen Schwellenland der Region, in Indien, die Sorge Stunden vor der Entscheidung der Griechen. Der Chefberater der indischen Regierung in Wirtschaftsfragen, Kaushik Basu, sprach von „Notfallplänen”, die die Regierung anlege für den Fall, dass sich die Euro-Krise nach einem Austritt der Griechen verschärfe. „Es gibt keinen Plan, der uns vollständig schützen könnte – es wird ein riesiges Durcheinander”, warnt Basu. Mit einem bilateralen Volumen von rund 90 Milliarden Dollar ist Europa Indiens wichtigster Handelspartner.

Das allerdings hindert ihn und andere nicht daran, die Krise in Europa zu nutzen, um von eigenen Fehlern abzulenken. Die indische Rupie hat seit Februar 15 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren. „Die starke Abwertung geht  aus meiner Sicht vollständig auf die Situation in Europa zurück”, sagt Basu. Das glaubt ihm niemand. Denn der Hauptgrund für das Sinken des Außenwertes der indischen Rupie liegt im Verlust des Vertrauens in die vollständig gelähmte Regierung in Neu Delhi.

Angesichts solcher Aussichten haben die Asiaten Ihre sprichwörtliche Höflichkeit fahren lassen und melden sich deutlich zu Wort. Ravi Menon, der Chef der Zentralbank MAS in Singapur sagt, die europäischen Regierungen hätten zwar außerordentliche Maßnahmen ergriffen, um die Lage zu stabilisieren. „Aber wir haben einen Wendepunkt erreicht, an dem mutigere, entschiedenere Handlungen gebraucht werden, um den Trend umzukehren.” Australiens Schatzkanzler Wayne Swan wird deutlicher: „Es ist sehr enttäuschend, dass die Europäer angesichts des jüngsten Anfalls von Instabilität so langsam reagieren. Ich würde gerne ein entschiedeneres Handeln von den Politikern in Europa sehen.” Und Gita Wirjawan, der Finanzminister Indonesiens, der größten Volkswirtschaft Südostasiens, fordert: „Wir brauchen ein starkes Europa. Es geht nicht, dass es die nächsten zwei oder drei Jahre vor sich hin tändelt.”

Wie auch immer Europa agiert und reagiert, eines haben die Asiaten schon gelernt: Eine gemeinsame Währung, noch vor Monaten in Südostasien durchaus ein Denkmodell, kommt für sie nicht in Frage. Susilo Bambang Yudhoyono, als Präsident Indonesiens an der Spitze der größten Volkswirtschaft Südostasiens, bekennt Farbe: „Ich bin überzeugt davon, dass wir die Struktur und den Charakter der Europäischen Union nicht imitieren sollten. Wir brauchen eine bessere Struktur, aber wir sollten die Eurozone nicht kopieren.”

von fazsgp erschienen in Akte Asien ein Blog von FAZ.NET.


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